Nach „Zwangsstörung Test“ wird rund 1000mal im Monat gesucht. Viele Menschen befürchten offenbar, ihre Gedanken oder Handlungen wären nicht in Ordnung, mehr noch: an einer Zwangsstörung erkrankt zu sein oder zu erkranken. Je nachdem, wie man einen der vielen Tests zu Zwangserkrankungen bzw. Zwangsstörungen ausfüllt, „hat man eine Störung“ – oder man hat sie eben nicht.
Aber ist es wirklich so einfach?
„Zwangsstörung“ und „Test“ – diese Begriffe schließen einander eigentlich aus
Man kann ohne weiteres z. B. einen Alkoholtest durchführen oder eine Blutzuckermessung. Bei guten Testgeräten erhält man zuverlässige Werte. Es sind und bleiben Momentaufnahmen, denn die Werte können sich jederzeit ändern.
Wie aber wollte man testen, ob jemand eine Zwangsstörung „hat“?
Die unzähligen Medizin- und Psychologieseiten im Internet verleiten dazu, Tests und Selbstdiagnosen durchzuführen. Abgesehen davon, dass für jede medizinische Diagnose immer ein Arzt und im Idealfall ein zweiter Arzt (zweite Meinung) zu hören ist – auch ein Test benötigt eine solide Datenbasis. Ohne Datenbasis kommt nur Unsinn heraus. Und solcher Unsinn kann dann Angst auslösen, eben z. B. die Befürchtung, an einer Zwangserkrankung oder Zwangsstörung zu leiden, in Psychotherapie zu „müssen.“Hier können Sie gleich den Gegentest machen, d. h. den Ressourcentest.
Aber der Reihe nach.
Habe ich eine Zwangsstörung oder nicht? Gibt es einen Test?
Denken Sie jetzt an Ihre Schulzeit zurück. Denken Sie an Ihren Lieblingslehrer und – wenn es ihn oder sie gab – an die Lehrkraft, vor der Sie sich fürchteten, weil Sie sie als ungerecht empfanden. Erinnern Sie sich an eine Szene an der Tafel. Sie wurden zu einem Thema befragt. Nun gibt es zweierlei Arten von Tests:
- Man kann testen, was jemand kann (Ressourcen, Wissen etc.)
- Man kann testen, was jemand nicht kann (wo „es“ fehlt, also Defizite, Schwächen usw.)
Beide Tests können auf den ersten Blick unverdächtig wirken. Es wird ja „nur“ gefragt. Tatsächlich aber können Fragen zu Erwartungshaltungen bei den befragten Personen führen, d.h. sie tun es unweigerlich. Wird etwas gefragt „Waschen Sie sich auffallend oft die Hände?“ – so fällt ein „Ja“ nicht schwer, wenn eine Person sich gerade Gedanken darüber macht, ob das mit der Häufigkeit des Händewaschens nicht etwas grenzwertig sei. Die Frage „Erleben Sie öfter Gedanken, die Ihnen Angst machen, die Sie aber nicht loswerden können?“ suggeriert schon explizit, dass es Menschen gibt, die Gedanken wie mit einem Schalter ausknipsen könnten. Die Testperson stellt logischerweise fest, dass sie nicht zum auserlesenen Kreis der Gedankenausknipser gehört. Und dann? Dann kann sich die Idee entwickeln, es könnte eine Störung vorliegen. Dazu weiter unten mehr.
Statt Zwangsstörungstest hier: ein Kompetenztest
- Sie haben hier einen Test auf eine Zwangsstörung erwartet?
- Fühlen Sie sich freundlich enttäuscht und gleichzeitig dazu ermutigt, diesen kleinen Ressourcentest durchzuführen.
- Wie geht es Ihnen bei folgender Vorstellung:
- Wenn Sie mindestens eine Frage mit Ja beantworten, haben Sie entweder keine Zwangsstörung bzw. Sie können lästige Gedanken mit eigenen Mitteln gut „loswerden“.
Testen Sie sich: Welcher Satz trifft auf Sie zu?
- Ich habe eine gute Vorstellungskraft.
- Ich kann – auch – in Bildern denken.
- In andere Menschen kann ich mich gut hineinversetzen.
- Ich habe hohe Wertvorstellungen.
- Meine Sehnsucht: eine Umgebung, die in Ordnung ist, die ich richtig genießen kann.
- Ich bin dazu in der Lage, auf Details zu achten.
- Es ist mir ein Anliegen, in Sicherheit zu sein.
- Ich mag es, wenn die Dinge gut geregelt sind.
- Bei Veränderungen bin ich am Anfang vorsichtig, weil ich noch nicht weiß, was mich erwartet.
- Wenn eine Entscheidung ansteht, möchte ich am liebsten die beste Wahl treffen.
- Wenn ich zur Sicherheit beitragen kann, mache ich das gerne.
- Im Ernstfall kann ich jedes noch so kleine Risiko erkennen.
- Die Verantwortung für Sachen, mit denen ich nichts zu tun habe, gebe ich gerne ab.
Was sagt dieser Test über Zwänge, Zwangsstörungen oder Zwangsgedanken aus?
Mit einer Zwangsstörung hat dieser Test ungefähr soviel zu tun wie der Schüler Max einer Grundschule mit einer Sechs in Biologie zu tun hat. Und das ist beabsichtigt.
Wie das?
Es gibt – wie oben schon erwähnt – zwei Arten von Tests:
- Man kann herausfinden wollen, was jemand kann.
- Man kann aber auch darauf testen, was jemand nicht kann.
Je nachdem, wie man als Lehrer den Schüler Max befragt, wird folgendes zu beobachten sein:
- Max zeigt sich als Schüler, der (wie alle anderen Menschen) seine Ressourcen, Talente und sein Wissen unter günstigen Voraussetzungen zur Verfügung hat
- Max steht als totaler Versager vor der Klasse
Genauso verhält es sich mit einem Test auf Zwänge, Zwangsstörungen oder Zwangsgedanken. Und nicht nur mit dem Test, sondern auch mit der Befragung in einer Therapie.
Jede der oben gestellten Fragen ließe sich auch störungsorientiert stellen.
Bei einem Test sollen Aussagen interpretiert werden – da beginnt schon die Ungenauigkeit
Insbesondere psychologische Tests basieren auf den Annahmen von Wahrscheinlichkeiten, d. h. wenn ein Proband bei einem Test angibt, er hätte einen überaus ausgeprägten Ordnungssinn – und wenn seine Aufmerksamkeit hierdurch aufzuleuchten beginnt und er bei einer weiteren Frage angibt, es falle ihm schwer, Unsicherheit auszuhalten … dann könnte in der Testauswertung hieraus ein Indiz für wer weiß was abgeleitet werden.
Warum steht oben auf dieser Seite ein Kompetenztest?
Wenn Sie die Fragen noch einmal ansehen, werden Sie feststellen: Jede der Fragen könnte man auch so formulieren, dass sich ein Ja als Baustein im Mosaik für eine Zwangsstörung interpretieren ließe.
Inhaltlich die gleiche Frage, nur etwas anders formuliert. Und schon eine andere Wirkung: auf den Psychologen, der den Test auswertet.
Aber nicht nur.
Auch auf den Testkandidaten wird das Testergebnis eine Wirkung haben.
Wir sind täglich unter „Testbedingungen“ im Alltag unterwegs
Haben Sie das schon erlebt? Sie treffen einen Kollegen oder einen Nachbarn, und es entwickelt sich ein kurzer Dialog. Sie verabschieden sich und fragen sich danach, ob Ihre Frage nach der Gesundheit der Ehefrau Ihres Gesprächspartners nicht zu weit gegangen ist.
Immer wieder geht Ihnen das Gespräch durch den Kopf, und Ihre ständigen Nachfragen bei sich selbst bringen Sie langsam aus der Ruhe.
Dies ist ein alltägliches Beispiel für die vielen Selbstbefragungen und Infragestellungen mit anschließender Bewertung – oft Abwertung – im Alltag.
Geht es nun nicht um ein belangloses Gespräch, sondern um einen absurden, abwegigen und unschön bebilderten Gedanken, und wird zudem die Frage gestellt „Bin ich denn noch normal, so etwas zu denken“ – und wird diese Frage extern auch noch gestellt, dann, ja dann kann es sein, dass eine „eindeutige“ Antwort auf diesen Zwangsstörungstest erfolgt: ja.
Sie haben einen Test auf Zwangsstörungen gesucht – und was haben Sie gefunden?
Sie haben hier die Einladung zum Zweifel gefunden:
- Zweifeln Sie an Ihrer Selbsteinschätzung, Sie könnten unter einer Zwangsstörung leiden.
Verbinden Sie diese Zweifel an der Diagnose mit der wachsenden Zuversicht, zur Gesundheit fähig zu sein.
- Zweifeln Sie an der angeblichen Eindeutigkeit, mit der andere Ihnen eine Zwangsstörung attestierten.
Verbinden Sie die Zweifel an dieser Diagnose mit dem Interesse daran, herauszufinden, welche Anliegen hinter den Phänomenen stehen, die Sie erleben.
Weil es an dieser Stelle passt, lesen Sie hierzu auch: Zwangsgedanken loswerden